Auf dem Campingplatz
von: Anette Cubasch
Man muss sich vorstellen: ein ganz normaler Campingplatz an einem schönen Fleckchen irgendwo an einem netten FlĂŒsschen …. an einem sonnigen, warmen SpĂ€tnachmittag – wobei das Wetter nicht so wichtig ist â echte Camper sitzen auch bei Regen, 5 Grad und Sturmwind unter der Markise……. egal, also sitzt irgendwo das ĂŒblichen GrĂŒppchen mit dem RĂŒcken zum Fluss und Blick auf den Weg, um einen qualmenden Grill versammelt, die Herren mit Bierflaschen,die Damen mit Cola-light-Dosen in der Hand.
Die Damen in kneifenden Leggins und zu engen T-Shirts oder bauchfreien Hemdchen, unter denen der âRettungsringâ hervorschaut, und grell rosa farbenen Badelatschen, die Herren in den bekannten schlabbernden Jogginghosen mit den weissen Streifen, und dem Unterhemd Marke Schiesser Doppelfeinripp Eingriff rechts, mit rutschenden Ringelsocken in abgelatschten Sandalen.
Man geniesst den Nachmittag gemeinsam, gutbĂŒrgerlich, ordentlich, ganz so, wie es sich gehört!
In der ansonsten nur von Vogelgezwitscher , dem leisen Zischen beim Ăffnen der Bierflaschen und einem gelegentlichen RĂŒlpser (âOh, Entschuldigung!â ) unterbrochenen Stille ertönt das unverkennbare Brummen eines Wohnmobils, das sich langsam der Rezeption nĂ€hert.
Die trĂ€ge und gelangweilt vor sich hindösenden Camper beobachten zwei Damen, die in die Rezeption gehen, kurz danach wieder in ihr Wohnmobil steigen und und zu einem Stellplatz rangieren, der einen schönen Blick auf den Fluss bietet. Ein bisschen abseits von den anderen …. aber eben direkt am Fluss!
Die beiden Damen steigen aus und kĂŒmmern sich um die waagrechte Ausrichtung des Wohnmobils und den Stromanschluss. Zwei ordnungsgemĂ€ss angeleinte Hunde ….. huihuihui, sind die Leinen lang, ob das wohl so erlaubt ist …. das sind ja glatte 4 Meter! â toben herum und begiessen die nahegelegenen BĂŒsche.
Die eine der beiden in Röcke und farblich passende T-Shirts gekleideten Damen ist klein, rundlich, und dunkelhaarig. Die andere ist gross, ein bisschen der nordische Typ, und die halblangen Haare sind hellblond.
â`ne Blondine â lecker!â brummelt der eine der Biertrinker mit einem kennerischen Augenzwinkern.
âIch mag die kleinen dunklen lieber!â verkĂŒndet ebenso leise sein Campingstuhlnachbar.
âSind da auch MĂ€nner dabei?â fragt eine der Legginsdamen â die mit dem Bauchnabelpiecing natĂŒrlich! Einer der MĂ€nner rafft sich auf, um neue Bierflaschen zu holen, und um bei der Gelegenheit einen Blick nach ânebenanâ zu werfen.
âNeee!â
âWas denn, zwei Frauen ganz allein????? Wer fĂ€hrt denn dann das Wohnmobil?â
âHaste vorhin nicht gesehen, die kleine hat das Womo vor die Rezeption gefahren, und die grosse Blonde hat es auf den Stellplatz rangiert!â
âKomisch!â
Eine ruhige, weibliche Stimme aus einem Liegestuhl: âDas sind bestimmt zwei Freundinnen, die mal ausspannen wollen, oder Schwestern!â
Ein Mann mit Bierflasche und Kennerblick:â Wenn das Schwestern sind, bin ich der Weihnachtsmann â der Mann mit Sack und Rute – hĂ€hĂ€hĂ€hĂ€!â
âKalle!!!!!â unverkennbar weiblich mit strafendem Tonfall
âNa, vielleicht sindÂŽs ja âsolcheâ Schwestern!â
âWie meinste das jetzt?â
âNa, wenn zwei Frauen miteinander reisen…….ist doch schon ein bisschen komisch, oder?â
Weitere Bierchen rĂŒcken an, und die Cola-Light wird nun aus GlĂ€sern und mit einem ordentlichen Schuss Bacardi genossen â die Sonne sinkt ja schon!
Der Grill ist heiss, und die Kotelettchen und die BratwĂŒrstchen brutzeln. WĂ€hrend die MĂ€nner angestrengt das Grillgut bewachen, wuseln die Frauen herum, um Salate anzurichten, Brot zu schneiden und den Tisch zu decken. Die elektrische Lichterkette unter der Markise wird eingeschaltet, ein Radio bietet Musik, die an Gran Canaria im vergangenen Jahr erinnert.
Die solarbetriebene Beleuchtung des Gartenzwergs und der niedlichen Schubkarre mit den Geranien schaltet sich automatisch ein, um sich der Stimmung anzupassen.
Auch bei den beiden âDamenâ drĂŒben wird gekocht, und danach können die aufmerksamen Beobachter erkennen, dass drĂŒben der Tisch gedeckt wird â liebevoll mit Porzellan, Servietten, und schönen langstiliegen GlĂ€sern.
Immer wieder wandern die neugierigen Blicke zum entfernten Wohnmobil, aus dem inzwischen Kerzenlicht schimmert â und das, obwohl man ja Strom hat und es noch nicht wirklich dunkel ist!
Nachdem sowohl unter der Markise wie auch im Wohnmobil die Mahlzeit beendet ist, bummeln die Jogginghosenherren mit dem schmutzigen Geschirr zum Waschhaus, um zu spĂŒlen, und um mit anderen Campern â MĂ€nner natĂŒrlich – zu klatschen.
Einer hat mitbekommen, wie die beiden Damen aus dem Wohnmobil sich an der Rezeption angemeldet haben, und obwohl er weder hingehört hat noch neugierig war, ist er nicht umhin gekommen, zu erfahren, dass die beiden Damen den gleichen Nachnamen tragen.
Also doch Schwestern! Oder?
Mit diesen Neuigkeiten und dem frisch gespĂŒlten Geschirr wandern die Herren zurĂŒck zur Markise und den dort wartenden Damen , die inzwischen natĂŒrlich auch fleissig und nicht gerade leise ĂŒber die seltsamen Nachbarinnen nachgedacht haben.
Auch im Wohnmobil ist nun offensichtlich das Geschirr gespĂŒlt und weggerĂ€umt, und die beiden Damen gehen mit den Hunden an den Leinen âgassiâ. Im Vorbeigehen grĂŒssen sie freundlich, machen aber keinerlei Anstalten, sich zur Markisengruppe zu gesellen.
NatĂŒrlich werden sie mehr oder weniger grĂŒndlich begutachtet.
âOb das Blond echt ist?â fragt eine Frauenstimme.
âDie dunkle hat einen unmöglichen Lockenwuschel â so was trĂ€gt man doch nicht in deeeem Alter!â
âHast Du auf die Ringe geachtet â die tragen beide Eheringe!â ebenfalls eine Frauenstimme.
â und erst die Kette …. bestimmt von Balmaing!â kommentiert eine Fachfrau.
âDie tragen ja Röcke!â bemerkt die scharfsinnige Legginsdame
âSchick, finde ich!â brummt Kalle
âVöllig ĂŒbertrieben, aufÂŽm Campingplatz!â
âNa, ÂŽs sind ja nur Jeansröcke, sieht aber gut aus â besser jedenfalls als ÂŽne zu enge Leggins â!
Das war ein Fehler â Kalle hĂ€tte besser geschwiegen, denn nun droht ihm sein Weib keifend mit Liebesentzug und Schlimmerem.
Kaum sind die RocktrĂ€gerinnen nicht nur ausser Hörweite, sondern auch um die nĂ€chste Ecke verschwunden, beschliesst einer der Biertrinker, dass sein Pudel namens âDudelâ gerade jetzt dringend mal muss. Also zerrt er den widerstrebenden, noch an einem Kotelettknochen knabbernden Hund an der Leine hinter sich her Richtung Wohnmobil â weil genau da ist der Busch, den Dudel zum Pinkeln dringend braucht!
Dass Herrchen dabei einen langen Blick durch die Frontscheibe des Wohnmobils wirft und den Innenraum und alles, was dort steht und liegt und wichtig zu sein scheint, mit scharfem Auge erfasst und in seinem fotografischen GedÀchtnis festhÀlt, ist reiner Zufall.
Dass Dudel nun bei seinem abendlichen Wasserlassen abrupt unterbrochen wird und noch tropfend und kreuzunglĂŒcklich hinter Herrchen her zur Markise gezogen wird, weil Herrchen ja nun Bericht erstatten muss, ist ja egal!
âNun sag schon, wie siehtÂŽs denn bei denen aus?â fragt eine Frauenstimme
âNun, wie in einem Wohnmobil eben!â
âWelche Farbe haben denn die Polster und die Gardinen?â eine Frauenstimme.
âWeiss ich nicht, konnte ich nicht sehen !â
Haben die Bilder an den WĂ€nden, Familienfotos oder so?â die Frauenstimme
âWeiss ich nicht, hab ich nicht drauf geachtet!â
âHaben die auch Hundekörbchen?â wieder eine weibliche Stimme
âKeine Ahnung!â
âWas fĂŒr Flaschen stehen denn da auf dem Tisch?â eine MĂ€nnerstimme
â`ne Sektflasche in so ÂŽner Blumenvase, und ÂŽne Weinflasche mit ÂŽnem französischen Aufkleber !â
âWie, kein Bier?â
âNee, hab keins gesehen, vielleicht im KĂŒhlschrank, der ist ganz schön gross und steht auf âeiskalt!â
âOb da ÂŽnen Korn drin ist?â eine MĂ€nnerstimme
âBestimmt soÂŽn vornehmer Akkawit oder Leine wie der heisst ! â eine leicht giftige Frauenstimme
âUnd die Betten?â wieder eine Frauenstimme
âWas fĂŒr Betten denn …. so ganz normale eben!â
âWie , normal?â
âNa, so wie Ehebetten nun mal sind, so nebeneinander mit einem Nachttisch dazwischen, und auf jedem liegt ein schwarzes Nachthemd, so was mit Spitze am Ausschnitt , unterm Busen gerafft, und mit kleinen silbernen Knöpfchen und einem hohen Beinausschnitt und so!â
Bierbenebeltes Nachdenken, Schweigen, ein RĂŒlpser, leises PlĂ€tschern des Baccardi in die Cola, leichtes Zischen der Bierflaschen, ein Pups vom Hund.
âLesben! Sag ichÂŽs doch!â kommt mit einem leisen âHicksâ von der Bauchnabelgepiercten.
âMĂŒsst ihr denn immer das schlimmste von euren Mitmenschen denken?â kommt von der Ruhigen aus dem Liegestuhl.
âDas Schlimmste? Von wegen …..!â flĂŒstert einer der JogginghosentrĂ€ger seinem Nachbarn mit einem weltmĂ€nnischen Augenzwinkern â man kannÂŽs im Schein der Lichterkette klar erkennen – zu. âDenen könnten wir doch mal zeigen, was richtige Kerle sind âhĂ€!â
âKalle, das hab ich jetzt aber gehört!â eine entrĂŒstete weibliche Stimme .
âSchhhhhhht, ich höre Schritte …. die kommen zurĂŒck …..!â
âHallo, die Damen, was fĂŒr ein schöner Abend fĂŒr einen Spaziergang, entzĂŒckende Hunde haben sie da â möchten sie sich nicht noch ein bisschen zu uns setzen, unser kleiner Dudel wĂŒrde sich so freuen, Heini, hol mal noch ÂŽn Bier fĂŒr die reizenden Damen! —- Nein? â Wirklich nicht? Na dann gute Nacht!â
Und dann, gar nicht mal so leise:
âHochmĂŒtige Lesben!â
Minuten spĂ€ter dringt das leise âPloppâ einer gekonnt geöffneten Sektflasche herĂŒber.
Im Wohnmobil lÀchelt die grosse Blonde ihre Partnerin zufrieden an und prostet ihr leise bei Kerzenlicht zu:
Das Passing stimmt!