Ankunft an Bord

Moin moin!
Na, dann werde ich doch mal ein paar Geschichten aus meiner Seefahrtszeit – lang lang ist´s her – herauskramen!

24 Jahre jung, Prüfung zum Schiffsfunker in der Tasche, und los geht´s mit den Bewerbungsschreibereien ! Zu meinem Erstaunen bekam ich bald eine positive Antwort der Reederei Laeisz aus Hamburg – die früher bekannt waren für ihre schönen Segelschiffe wie die „Pamir“ und die „Passat“. Ich soll als Schiffsfunkerin auf die „Primula“, Zement von Spanien nach Dammam ! „Wann?“ war meine Frage, und die Antwort seefahrtstypisch :“Och, das hat noch Zeit – vielleicht nächste Woche !“
Nun wollte man mir erst mal die entsprechende „Berufsbekleidung“ verpassen und so bekam ich einen „Auftragszettel“, mit dem ich zum Uniformschneider gehen konnte. Auf dem Zettel stand:“ 2 blaue Uniformhosen, 2 Khakihosen, 3 weisse Hemden, 3 Khakihemden, eine Jacke mit Rangabzeichen Funkoffizier, Uniformmütze“.
Erst mal hab ich „Hemden“ durch „Blusen“ ersetzen lassen, und dann „Hosen“ durch „Röcke“, was einen Aufschrei provozierte :“Da sieht ja jeder gleich, dass sie eine Frau sind, und das im persischen Golf!“ ………….. ´ne Lachnummer, denn ich war klein, zierlich , mit den Kurven – damals noch – an den richtigen Stellen und hatte schulterlange Locken, ich wäre in jedem männlichen Kirchenchor aufgefallen wie eine Ballerina im Boxring!

Wenn Frau, dann richtig – und ich hab mich durchgesetzt.

 

 

 

 

 

 

Die nächsten Tage brachten immer die gleiche Antwort auf meine Frage, wann´s denn endlich losginge : „Och, das hat noch viiiiel Zeit !“ – bis zu dem Anruf am 13. Januar :“Können sie morgen früh nach Alicante fliegen????????????“

Klar kann ich, und so stand ich dann am nächsten Mittag mit klopfendem Herzen und weichen Knien mutterseelenallein vor „meinem“ ersten Schiff, der „Primula“.

Hört sich anmutig an, das Primelchen, aber Zementfrachter sind nun mal keine Blümchen, sondern die grauen Elefanten unter den Schiffen!

Meinen Koffer und meine Reisetaschen hatte der Taxifahrer neben die Gangway gestellt, und mich dann mit einem fröhlichen „Adios, Senorita“ allein gelassen – völlig allein!

Aber nein, da stand ja neben der Gangway so ein kleines, etwas rundliches Individuum in völlig verdreckten Jeans und einem ehemals weissen T-Shirt, Hände in den Taschen, und betrachtet mich!
Also hab ich tief durchgeatmet, den Kloss im Hals energisch runtergeschluckt, und habe ihn angesprochen, ob er denn deutsch verstünde ( Damals war deutsch noch nicht die zweite Landessprache in Spanien), was er mit einem maulfaulen Nicken bejahte. Also hab ich mich daran erinnert, dass ich ab sofort Offizier bin , und habe ihm freundlich, aber bestimmt aufgefordert, die Koffer nach oben auf´s Schiff zu tragen, was er auch wortlos tat. Oben angekommen, hab ich gefragt, ob er wisse, wo die Kammer des Funkers sei, was wiederum mit einem Nicken bejaht wurde. Er möchte bitte meine Koffer dorthin tragen.
Zwei oder drei andere Männer trödelten in unserer Nähe herum, beguckten mich, neugierig, wie mir schien, und mit einem etwas seltsamen Grinsen.
Ist mir doch egal, und schon trug mein selbsterwählter Koffermann das Gepäck ĂĽber Treppen und lange Gänge – immer noch begleitet von einer ständig wachsenden Zahl Besatzungsmitgliedern – bis zu einer TĂĽr mit dem Schild „Funker“. Dort bat ich ihn, die Koffer abzustellen und mich unverzĂĽglich zum Kapitän zu bringen.
Nun brachte er tatsächlich mit einem breiten Grinsen einen ganzen Satz heraus :“Ich bin der Kapitän!“
Ich wäre am liebsten im Fussboden versunken …………….. und nun verstand ich das dämliche Grinsen der anderen auch! Hab ich dummes Landei doch tatsächlich den „Alten“ dieses Schiffes mit meinem Gepäck durch den Dampfer gescheucht!
Aber er hatte Humor, und wir haben uns in den folgenden Wochen und Monaten gut verstanden!
Allerdings musste ich meine Vorstellungen von Kleiderordnung an Bord – ich bin Tochter eines Marineoffiziers – gründlich revidieren, zumindest was Alltag und westliche Häfen angeht – nix oder nur selten Uniform!
Er stellte mich dann dem noch amtierenden Funker vor, der strahlend lächelte, mir eine 5 Minuten dauernde Einweisung in meinen neuen Arbeitsbereich gab, seine Koffer schnappte und in´s wartende Taxi verschwand! Und ich stand vor einer Funkanlage, die natürlich ganz anders aussah wie die an der Hochschule, und von Verwaltungsaufgaben, von denen ich keinen blassen Schimmer hatte!
Irgendwie – und mit viel verständnisvoller Hilfe – habe ich es geschafft, alles richtig zu machen, so dass bald die Papiere zum Auslaufen fertig waren und auf See dann auch der Funkverkehr lief!
Ein riesiger Fehler ist mir allerdings in den ersten Tagen unterlaufen!
Ich bin faul, das heisst, die Arbeit, die gemacht werden muss, mache ich gerne und gewissenhaft – in diesem Fall Funkverkehr über Bern Radio, Kontakte mit der Reederei, Telefonate zwischen Besatzungsmitgliedern und ihren Angehörigen, Wetterberichte, Positionsmeldungen und die täglichen weltweiten Nachrichten, sauber ausgedruckt und ans Infobord gehängt.
Unnütze Arbeit lasse ich gerne weg, also habe ich die meiner Meinung nach völlig unnötigen „Bundesliga-Fussballmeldungen“ weggelassen !
Das fĂĽhrte fast zur Meuterei , Drohungen wie „Kielholen“ wurden laut …..oje – ich hätte wohl eher die Nachrichten mit dem Weltuntergang weglassen sollen !
Danach habe ich gesteigerten Wert auf Bundesliga gelegt, mir notfalls die Infos von anderen Funkern geholt, kurz, mir die Finger wundgemorst , um diese so lebenswichtigen Informationen zu bekommen!

Naja, jedenfalls lief der erste Teil dieser Reise, von einigen kleinen Missgeschicken abgesehen, ganz gut, und bald sollte ja auch Port Said und der Suezkanl kommen!
Doch die Geschichten vom Waffenstillstand zwischen Ägypten und Israel – wir mittendrin , und den Kücken aus der Hemdtasche erzähle ich ein anderes mal!