Die Ausreise

Nachdem die Umbauten sich der Vollendung nĂ€herten, kam dann auch die restliche Besatzung an Bord. KapitĂ€n Metz,der spĂ€ter bei der Kenterung der Sloman Ranger ums Leben kam, 1.Offz. Riesebieter und Matrose Daum, der auf die Flora „straf-versetzt“ war, weil er Informationen ĂŒber eine Rettungsaktion von Boatpeoples durch die „Prospekta“ an eine deutsche Zeitung weiter gegeben hatte. An andere Namen der seemĂ€nnischen Besatzung kann ich mich nicht mehr erinnern.
Dazu kamen noch einige Besatzungsmitglieder vom Roten Kreuz, u.a. ein Chirurg (Dr. Klaus Burghard), mehrere Krankenpfleger und ein Einsatzleiter und sein Vertreter.

Und dann kam die AusrĂŒstung/Ladung. Unter anderem ein komplettes Feldlazarett, ein Unimog, zwei Mercedes-Jeeps, die es auf dem freien Markt noch gar nicht zu kaufen gab, aber das DRK hatte zwei Prototypen bekommen.
Wasserreinigungsanlagen, Unmengen Wolldecken, Gitterfolie, mobile Toiletten, Milchpulver und andere Lebensmittel, Kleider aus der Altkleidersammlung, zwei oder drei Amateurfunkanlagen, und zwei offene Motorboote mit Außenbordmotoren. Das Hospital wurde ausgerĂŒstet, mit einem kompletten Operationssaal, der fĂŒr alle erdenklichen NotfĂ€lle ausgerĂŒstet war, bis hin zu einer Geburtszange, deren Gebrauch mir der Doktor irgendwann mal erklĂ€rte.
Auch ein RöntgengerĂ€t, ein Autoclaf zum Sterilisieren der AusrĂŒstung, Kittel und SchlitztĂŒcher, Nahtmaterial und Nadel, palettenweise Blutersatz, sowie die Etagenbetten fĂŒr das Krankenzimmer.

In den ganzen Trubel der Reisevorbereitung kam dann auch noch das DRK und meinte, wir brĂ€uchten unbedingt Uniformen, die dann auch noch in aller Eile fĂŒr uns passend gemacht wurden. Himmelblaue Jacken, mit goldenen Knöpfen und Rangabzeichen. Ich glaube diese Jacke habe ich nur ein einziges mal getragen, nĂ€mlich beim Auslaufen aus Bremerhaven.
Am Tag vor dem Auslaufen war dann auch „Florinchen“ so weit, dass es das erste mal auf dem Wasser probefahren konnte. Im Prinzip ist so ein Schottelmotor ja nichts anderes als ein großer Außenbordmotor. Gelenkt wurde mit einer großen Handkurbel. Alles kein Problem fĂŒr den 1.Offz.. Auch dass man zum Aufstoppen den Propeller einfach nach Voraus ausrichten muss war klar. Nur leider vergaß er das Gas raus zu nehmen, sodass sich der plumpe Ponton mit erstaunlicher Geschwindigkeit anfing zu drehen, und mit dem Motor die Kaimauer rammte. Wir haben die Kollision alle gut ĂŒberstanden, nur der Motor war irgendwo gerissen. Zum GlĂŒck gelang es der Werft aber die SchĂ€den zu schweißen, sodass wir trotzdem den nĂ€chsten Tag auslaufen konnten.

Das Auslaufen war natĂŒrlich ein Medienereignis. DafĂŒr hatte das DRK gesorgt. Es fehlte eigentlich nur die Blaskapelle, die „Muss I denn…“ spielte.
Kaum waren wir aus der Schleuse ausgelaufen informierte uns schon die Revierzentrale, dass Elbe-Weser-Radio uns rufe. Irgend ein Rundfunksender wollte ein Life-Interview mit dem KapitĂ€n fĂŒhren. Frisch von der Schule hatte ich natĂŒrlich keine Ahnung, was ich dabei zu tun hatte, aber irgendwie hat mich der Alte schon in die richtige Richtung geschubst, sodass wir das alles gut ĂŒberstanden haben.

Bis Port Said verlief die Reise ereignislos, außer dass der KapitĂ€n mich in die RealitĂ€ten der Seefunkerei einfĂŒhrte: „Wenn Norddeich die Liste verlesen hat, werden die von dutzenden Schiffen gerufen, da kommst Du nie dran, wenn nur so leise rufst, da musst Du brĂŒllen“.
Also hab ich ins Mikrofon gebrĂŒllt: „NORDDEICH RADIO, NORDDEICH RADIO HIER IST…….“
„Die wissen wie sie heissen. Ruf einfach den Schiffsnamen!“
„….wer ruft Norddeich Radio?“ „FLORA, FLORA DEIG…“
Dies Verfahren entsprach zwar nicht der VOFunk, aber der KapitĂ€n war glĂŒcklich, ich wurde meine GesprĂ€che, Telegramme und Telexe los, und die gesamte Besatzung kannte unser Rufzeichen.

In Port Said wurden wir dann bevorzugt behandelt. Ob es an den Roten Kreuzen auf unseren BordwĂ€nden und im Schornstein zu verdanken war, oder den Vorbereitungen der Internationalen Rotkreuzorganisation, weiss ich nicht, auf jeden Fall aber sollten wir gleich den nĂ€chsten Konvoi durch den Kanal anfĂŒhren.
Leider spielte die nicht mehr ganz neue Technik der Flora nicht mit. Irgendwelche kĂŒhler in der Maschine waren dicht, und mussten ersetzt werden. Die Ersatzteile mussten eingeflogen werden, und wir mussten darauf warten. Einen Tag und noch einen Tag und…. Eigentlich wusste nie keiner wo die Ersatzteile blieben. Ob es daran lag, dass der Agent nichts taugte oder der Zoll den Weitertransport blockierte? Mit einem mal hieß es, dass die Ersatzteile schon auf der anderen Seite des Kanals auf uns warten.
Nach drei Tagen (ohne Landgang) ging es endlich weiter. Doch jetzt nicht mehr an der Spitze des Konvois, sondern irgendwo mittendrin.

Im Roten Meer war es dann warm und feucht, und wer je durchs Rote Meer gefahren ist, weiß, dass der Wind immer von Achtern kommt, egal in welche Richtung man fĂ€hrt. Aber zum GlĂŒck war die Flora ja mit einem Hospital ausgerĂŒstet worden, dass eine Klimaanlage und genĂŒgend freie Betten hatte. Also traf sich die ganze Besatzung zum Schlafen in den klimatisierten RĂ€umen. Fast die gesamte Besatzung. Der KapitĂ€n wollte in der NĂ€he der BrĂŒcke bleiben, und der Zweite musste in der NĂ€he der Funkanlage bleiben und durfte sich den Speck wegschwitzen, den er sich wĂ€hrend des Studiums angefuttert hatte.
Der Rest der Reise bis Singapur war recht ereignislos, außer dass die DRK-Besatzung Probleme mit dem Essen hatte. Irgendwie gefiel ihnen die Achterbahnfahrt im Indischen Ozean nicht.