Flora – der Umbau
Im Sommer 1979 nahm der Flüchtlingsstrom aus Vietnam mit Booten ins Südchinesische Meer derartige Ausmaße an, dass nicht nur Rupert Neudeck mit seiner „Cap Anamur“ sich genötigt sah, ein Hilfsschiff in das Seegebiet zu entsenden, sondern auch das Deutsche Rote Kreuz.
Spenden gab es offenbar genug, und so wurde kurzerhand der Sloman-Neptun das MS „Flora“ abgekauft, und in Bremerhaven in der Sieghold Werft in ein Lazarett- und Versorgungsschiff umgebaut.
Zu der Zeit hatte ich gerade mein Patent zum Wachoffizier auf Großer Fahrt (AGW) erhalten, und war auf der Suche nach einer Reederei. Beworben hatte ich mich u.a. bei Sloman-Neptun auf die Forschungsschiffe, und ich wurde auch tatsächlich als 2. NO eingestellt. Allerdings war ich dann doch reichlich erstaunt als mir gesagt wurde, ich solle mal nach Bremerhaven zur Sieghold Werft fahren, um dort die Bauaufsicht auf der Flora zu übernehmen.
Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich kapierte, auf welchem Schiff ich hier eingesetzt wurde.
Die Ausbildung bei Hapag-Lloyd war ja nicht schlecht, aber sie bezog sich immer nur auf Wach-, Decks-, und Ladungsdienst. Eine Werft hatte ich bis dahin nur ein einziges Mal von Innen gesehen, als ich zum Urlaub abgemustert habe.
Nun stand ich also hier auf diesem Schiff und sollte den Umbau in ein Lazarettschiff überwachen.
Kaum war ich an Bord, fühlte sich die alte Besatzung auch schon abgelöst, packte ein paar Sachen, die an Bord jetzt nicht mehr gebraucht wurden ins Auto (wahrscheinlich um der Reederei den Transport zu ersparen) und verschwand mit den besten Wünschen.
Mir war zunächst völlig Unklar, was von mir hier an Bord überhaupt erwartet wurde, und so lief ich einfach überall an Bord herum, und guckte zu, was da so gearbeitet wurde.
Das Rote Kreuz hatte es eilig, das Schiff um zu bauen, und so hielt man sich offenbar bei Umbau nicht damit auf, erst einmal Zeichnungen an zu fertigen, sondern man fing gleich mit weg brennen an. Das schönste Beispiel war der Niedergang vom Deck, dem ehemaligen Lukendeckel, ins Hospital im Zwischendeck. Der Eingang dazu sollte groß genug sein, dass man problemlos eine Trage mit zwei Mann hinein und dann die Treppe hinunter tragen kann. Also schnappten sich zwei Arbeiter eine Leiter in etwas mehr als zwei Metern Abstand, wie eine Trage und liefen damit über Deck. Der so ermittelte Platzbedarf wurde mit Kreide aufs Deck gemalt, ausgemessen und danach die Platten für das Deckshaus zugeschnitten.
Die größten Umbauten fanden an und in der Luke zwei statt. Während Luke 1 weiterhin als Frachtraum diente, wurde das Zwischendeck von Luke 2 zum Hospital umgebaut. Das Hospital nahm dabei ca. drei Viertel der Fläche des Zwischendecks ein, das letzte Viertel blieb offen als Schacht zum Unterraum, der weiterhin als Laderaum diente.
Im Hospital wurde eingerichtet ein Operationssaal, ein Schlafsaal mit mehreren Etagenbetten, Kammern für die Ärzte und Pfleger/Schwestern Toiletten und noch ein paar Räume. Und dann noch zwei Kühlräume für Medikamente und Verpflegung. Diese Kühlräume wurden natürlich fachgerecht isoliert, und dann von innen mit GfK ausgekleidet, indem mit einer Spezialmaschine Glasfasern und der Kunstharz an die Wand gespritzt wurden. (Spätestens, nachdem wir in Singapur angekommen waren, konnten wir alle Lebensmittel aus diesem Kühlraum weg schmeißen, da der Geruch des Lösungsmittels bis ins tiefgekühlte Fleisch vorgedrungen war.)
Natürlich wurde dies Hospital auch mit einer Klimaanlage ausgerüstet. Das feinste vom feinen und mit allen möglichen Filtern, die nur saubere Luft von Außen nach Innen zuließ, und nur keimfreie Luft wieder ins Freie entließ. Diese Klimaanlage sollte sich später noch als wahre Herausforderung für unsere Ingenieure erweisen.
Apropos Klimaanlagen. Die Flora wurde 1966 gebaut, und war damals für die Mittlere Fahrt gebaut. Wozu brauchte man da also eine Klimaanlage? Jetzt aber sollte es in die Nähe des Äquators gehen mit Durchschnittstemperaturen von 30 Grad und höher. Da konnte auch die Reederei sich nicht mehr dagegen sperren, der seemännischen Besatzung etwas gutes zu tun. Also wurde in die beiden Messen und in das Kartenhaus je eine Fensterklimaanlage eingebaut.
Die Klimaanlage im Kartenhaus war notwendig, da hier eine neue Funkanlage eingebaut wurde, mit allen Schickimicki, wie 2 kW-Sender, Wetterkartenschreiber, Sitor-Telex etc.
Das DRK wollte halt jederzeit mit uns Verbindung aufnehmen können. Mein Vorschlag, eine Satellitenanlage zu installieren wurde allerdings abgelehnt, „dieser neumodische Krams taugt nichts“.
Bei der Gelegenheit wurde mir dann auch noch eröffnet, dass man eine Ausnahmegenehmigung beantragt habe, um ohne Funker nach Indonesien zu fahren. Funken sei an Bord der Flora schon immer Aufgabe des „Zweiten“ gewesen.
Zum Glück wurde die Anlage ja gerade ganz neu eingebaut, und damit war auch ein Techniker da, den ich löchern konnte, und der mir mit sehr viel Geduld immer wieder erklärte, wie man die Geräte dazu bringt, das zu tun, was von ihnen erwartet wird.
Zusätzlich zu den Umbauten am Schiff baute die Sieghold Werft auch noch ein Landungsboot. Tatsächlich ein Ponton mit Rampe und Schottel-Motor. Dieses Landungsboot, dass von uns „Florinchen“ getauft wurde, war so groß, dass mindestens ein Unimog damit transportiert werden konnte. Allerdings wog es auch schon ohne Motor 8 Tonnen, die wir mit den beiden Kränen an Luke 1 gerade mal eben gemeinsam anheben konnten. Um „Florinchen ins Wasser zu setzen mussten wir also erst den Motor abbauen und irgendwo zwischen lagern, dann „Florinchen“ ganz vorsichtig anheben und ins Wasser setzen, und dann den Motor wieder, auf das jetzt auf den Wellen tanzende Gefährt montieren.