Gedanken zu Hause

Liebe Freunde,
heute Abend sitze ich so ganz still und zufrieden hier in meinem heimischen Wohnzimmer, und denke nach……… ĂĽber all das, was wir in den letzten Wochen so erlebt haben.
Und dabei fällt mir auf, dass ich einen ganz wichtigen Aspekt , und damit ganz wichtige Menschen, aussen vor gelassen habe: Angehörige.

Ehepartner, Liebste, Freunde, Eltern……… die „ihren“ Transsexuellen zu dieser doch nicht ganz leichten und auch folgenschweren OP begleiten. Menschen, die bereit sind, den steinigen Weg mit zu gehen.
Es ist ein sehr schwerer Weg, ein Weg voller Zweifel, voller Fragen, und voller Selbstvorwürfe. Auch und nicht weniger für die Angehörigen .

Vielleicht schwerer als der Weg der sich selbst sichereren Transsexuellen, die auf ihre eigene Seele gelauscht hat und sich ganz klar ist, dass der Weg, den sie nun geht, der richtige ist!
Man versucht, den geliebten Menschen zu verstehen…………. mit aller Kraft………. aber Unsicherheit bleibt immer! Niemand kann verstehen …………… der nicht den gleichen Weg gehen muss!

Okay, man erlebt die Anreise gemeinsam, die Vorgespräche gemeinsam, die Aufnahme ins Krankenhaus gemeinsam .
Die ersten Stunden im Krankenzimmer sind problemlos, denn wenn der Partner und der Patient das wĂĽnscht, wird ein zweites Bett fĂĽr den Partner ins Krankenzimmer geschoben. Ein komfortabler Raum.
Immer noch alles gemeinsam. Und so bleibt´s auch: Gespräch mit der Anästhesistin, die erste Nacht, das morgendliche Aufwachen ( wenn man denn geschlafen hat ……….die Patientin wahrscheinlich, der Angehörige eher weniger).

Und dann kommt der „Härtefall“ …………. am nächsten Morgen wird der Mensch, den man liebt, im Bett Richtung OP-Saal geschoben. Noch darf man mitgehen, noch ist der geliebte Partner geistig voll da.
Und plötzlich ist da eine Tür, durch die man als Partner nicht mehr mitgehen darf.
Ein inniger Kuss, ein Augenkontakt…….. mehr bleibt einem nicht mehr. Wenn man GlĂĽck hat, noch ein „GlĂĽcksbringertierchen“ namens Inalexa, das man nun fast zerquetscht.
Und jetzt beginnen für den Angehörigen die schlimmsten 6 Stunden .
Die Patientin hat´s jetzt leicht ……….. nach 5 Minuten bekommt sie eine Spritze………..und wacht 6 Stunden später wieder auf! Na klasse- lächel!

Aber für den Angehörigen heisst es jetzt:
Im Fahrstuhl zurĂĽck zum Zimmer. Alleine. Entsetzlich einsam .
Habe ich jetzt alles richtig gemacht…….oder hätte ich vielleicht etwas ändern können?Habe ich Fehler gemacht? Wenn ja, dann wo, und kann ich sie rĂĽckgängig ….. ach neee, geht ja nun nicht mehr………………..Angst………… Panik……….Panik….
Tränen.
Wer mich kennt, weiss, das ich keine Heulsuse bin, aber da habe ich verzweifelt versucht, die Tränen zu unterdrücken.
Schon im Fahrstuhl.
Und da war schon so eine ganz liebe kleine Thaifrau, die mir die Hand auf die Schulter legte ( sie musste weit nach oben greifen) und die versuchte, mich zu trösten. Die mich in unser Zimmer brachte. Wo ich dann einfach weinen durfte-konnte-musste.
So was hab ich noch nie erlebt – so entsetzliche Angst um mine Sine ,,,,,,,,,und so was möchte ich nie wieder erleben.
Ich habe, glaube ich , zum ersten Mal in meinem Leben aufrichtig gebetet: Lieber Gott, lass sie zu mir zurĂĽck kommen!
Ich bin dann nach einer halben Stunde oder so nach nebenan gegangen, wo Vici lag – einen Tag vor meiner Sine operiert.
Vici hat mich gehalten , aufgebaut, ermuntert ( sie hat mir hinterher gesagt, sie hat nur gedacht :“Poor woman!“), und dann konnte ich mit einem Tuktuk ins Hotel zurĂĽck fahren. Mich dort frisch machen, duschen, und dann wieder ins Krankenhaus zurĂĽck kommen,
Und kurz nach 14 Uhr kam auch meine Gesine wieder zu mir – noch etwas…. naja, daneben, aber durchaus schon wieder ansprechbar!
Der Stein von meinem Herzen ………… der mĂĽsste eigentlich eine Tsunami ausgelöst haben!

Ich denke da jetzt an die Mutter von Josefin aus der Schweiz, an die Eltern der Australierin, an den Mann der Engländerin………….an all die Lieben und Liebsten, die da mit anreisen und bereit sind, den Weg mit zu gehen!
Das sind grossartige Menschen, die ich alle sehr bewundere.
Es gehört sehr viel Kraft dazu – und sehr viel Liebe, um diesen Weg mit zu gehen!
Ich habe fĂĽr mich etwas sehr wichtiges gelernt: die Freundschaft und Hilfe anderer anzunehmen – und daraus Stärke zu gewinnen! Und diese Kraft und Stärke vielleicht im richtigen Moment zurĂĽck zugeben!

Liebe GrĂĽsse
Anette