Das Wichtigste nach der Operation ist: „Dilaten, dilaten und noch mal dilaten“. Sophie erklärte uns ausführlich und anschaulich an Hand einer Pappröhre aus dem Inneren einer Rolle Küchenpapier, warum das nötig ist und was es bewirkt.
Während der OP bohrt Dr. S. gleich zu Anfang mit eienm Lötkolben das Loch für die neue Vagina, dann bastelt er das Drumherum, wie die Schamlippen und die Klitoris, und ganz zum Ende kleidet er das am Anfang gebohrte Loch mit der Skrotalhaut aus und hält sie dort am Platz indem er sie mit einer Tamponage ausstopft, und mit Verbänden und Pflastern von aussen am Platz hält. Der Körper versucht dann als erste Überlebensmassnahme dafür zu sorgen, dass alles was da jetzt so verletzt wurde, irgendwie mit Blut versorgt wird. Und dadurch wächst dann zusammen, was gerade zusammenpasst. Wenn das Überleben gesichert ist, nach ein paar Tagen oder auch Wochen, beginnt der Körper mit den Reparaturarbeiten. Nervenbahnen werden neu verkabelt und getestet, was doch immer wieder mal zu unangenehmen Gefühlen führt, und Löcher wachsen zu.
Und leider ist die neue Vagina für den Körper nichts anderes als ein Loch, dass es zu stopfen gilt. Beginnend an den äussersten Enden, also ganz tief drinn in der Spitze der Vagina und ganz vorne, da wo man von Aussen das Loch sehen/fühlen kann beginnt der Körper neues Gewebe zu bilden. Narbengewebe. Narbengewebe hat die an und für sich sinnvolle Eigenschaft, sich zusammen zu ziehen um so die Löcher die es schließt zu verkleinern.
In der neuen vagina ist dieser Effekt aber äusserst unerwünscht, denn das Loch soll ja möglichst groß bleiben. Sophie verdeutlicht uns, was da passiert an ihrer Pappröhre. Sie knickt ein kleines Stück der Röhre um, dadurch ist die Röhre auf der einen Seite nicht mehr offen, und es lässt sich nichts mehr hinein stecken. Langsam aber sicher schiebt Sophie dann den Knick in Richtung offenes Ende der Röhre, und das Stück, in das man noch etwas hineinstecken kann wird immer kleiner. Mit Hilfe des Dilators können wir verhindern, dass sich das Narbengewebe zusammen zieht und die Vagina offen bleibt. Irgendwann wird der Körper den Versuch das Loch zu schliessen aufgeben, und nur noch halbherzig daran arbeiten.
Wir kennen den Effekt von den Löchern in unseren Ohrläppchen. Würden wir den Ring gleich nach dem Einschießen wieder herausnehmen, wäre das Loch bereits nach wenigen Stunden wieder verschlossen. Nehmen wir den Ring nach 14 Tagen heraus, können wir ihn auch am nächsten Tag noch wieder hinein stecken, und wenn wir erst einmal den Ring ein paar Jahre getragen haben, dann ist das Loch auch nach ein paar Monaten noch nicht wieder zu gewachsen.
Leider können wir aber den Dilator nun nicht wie einen Ohrring 24/7 in uns tragen. Das wäre für die Wundheilung und die Narbenbildung vielleicht sinnvoll, aber die ganze Zeit einen 20cm langen und über drei Zentimeter dicken steifen Fremdkörper in sich zu tragen, dass bringt das Innenleben, wie Blase und Därme doch gewaltig durcheinander.
Ich bewundere da Frauen, die ein Kind austragen, und habe jetzt vollstes Verständnis für deren plötzliches und unvorhersehbares Verlangen aufs Klo zu müssen. Aber die haben den Vorteil, dass so ein Kind nicht von heute auf morgen in voller Größe in ihnen liegt, sondern ganz langsam wächst und seinen Platz findet. Was wir machen können, und auch tun müssen, um die Tiefe zu erhalten, ist den Dilator immer wieder in die Vagina hinein zu führen, um so der Kontraktion des Narbengewebes entgegen zu wirken. Je öfter um so besser. Drei mal am Tag für 15 Minuten wirkt mehr als einmal am Tag 2 Stunden.